Wenn du dich dafür interessierst, wie du mit einer Methode Lösungsansätze für Probleme finden, mentale Last ablegen, out-of-the-Box denken, dich an Vergessenes erinnern kannst und vieles mehr, sind Morningpages genau das Richtige für dich. Mir helfen sie seit Jahren und ich schreibe sie so gerne, dass ich sie dir in diesem Artikel vorstellen möchte.
The Artist’s Way
Vor ein paar Jahren habe ich das Buch The Artist’s Way von Julia Cameron gelesen; es ist eine Anleitung, wie blockierte Künstler zurück zur Quelle ihrer Kreativität finden und sich entfalten können. Julia Cameron musste als Drehbuchautorin eine Methode finden, ihre eigene Kreativität wiederzubeleben. Ihr Wissen über diesen Prozess gab sie dann in Kursen an andere weiter, woraus ihr Buch entstand. Keine Sorge, du musst kein Künstler sein: Jeder kann davon profitieren.
Neben Selbstreflexion und Aufgaben sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, ist der Leser angehalten, zwei Dinge regelmäßig zu tun; Artistdates und Morgenseiten schreiben.
Artistdate
Im Artistdate unternimmst du jede Woche einmal etwas für dich alleine, das dir Freude bereitetet, gerne etwas Spielerisches. Der Zweck ist, deine Inspiration zu fördern. Der Zeitrahmen könnte etwa zwei Stunden sein.
Morningpages
In diesem Artikel geht es allerdings um die Morgenseiten: hier schreibst du jeden Morgen, was dir in den Sinn kommt, legst den Fokus auf den Fluss der Gedanken und beurteilst das Geschriebene nicht: Alles ist erlaubt. Wichtig ist, dass du von Hand schreibst, denn dadurch bilden sich neuronale Verbindungen im Gehirn. Rechtschreibung und Form sind dabei eher unwichtig. Sie müssen morgens geschrieben werden, um sich mit dem kommenden Tag auseinandersetzen zu können. Der Umfang beträgt drei DIN-A-4 Seiten.
Der Füller als Grubenbagger des Unbewussten
Ich schreibe Morgenseiten seit einigen Jahren. Es ist herausfordernd, einen kontinuierlichen Strom von Gedanken aufs Papier zu bringen. Wichtig ist, beim Schreiben dranzubleiben, wenn die Banalitäten des Alltags bereits zu Papier gebracht sind und man denkt, nun fiele einem nichts mehr ein. Oft habe ich beobachtet, dass erst als mir vermeintlich nichts mehr einfallen wollte, die wirklich interessanten Themen auf das Papier kamen. Es ist als fördere man Schicht für Schicht das Oberflächliche des Alltags weg und zunehmend Unterbewusstes zu Tage.
Das gewinnst du, wenn du Morgenseiten schreibst
Morgenseiten sind wie ein Schweizer Taschenmesser, denn sie bieten viele Vorteile auf einmal:
- Sie sind eine wunderbare Methode, sich mental auf den Tag vorzubereiten. Gibt es etwas, das mich akut belastet; wie kann ich das lösen? Beim Schreiben kann man hervorragend mentale Last auf dem Papier ablegen. Stehen mir anspruchsvolle Termine oder Gespräche bevor, für die ich mir eine mentale Haltung zurechtlegen möchte?
- Es ist auch eine Gelegenheit zum Relativieren: Manchmal versinken wir so sehr in Themen, z.B. in Konflikten oder banalen Entscheidungen, dass wir nicht mehr out-of-the-Box denken können. Nach dem Aufstehen gleicht der Geist einer frisch verschneiten Landschaft, sodass du ohne die Anhaftungen des Alltäglichen eine gute Metaperspektive auf Themen einnehmen kannst.
- Manchmal folgt ein anti-flow Moment nach dem anderen. Das heißt wie aus dem Nichts kommen mir Ideen für den kommenden Tag oder Perspektiven für meine Zukunft. Gedanken und Ideen, die mir im hektischen Alltag nicht in den Sinn gekommen wären.
- Oft fallen mir während des Schreibens Sachen ein, die ich vergessen habe; einen Freund anrufen, oder ein Abo kündigen.
- Mir scheint das Schreiben von Hand oft wie ein Denkschrittmacher: Ohne Schreiben ist mein Denken manchmal sprunghaft. Beim Schreiben von Hand konzentriere ich mich besonders gut auf das bedachte Thema.
Manchen vermeintlich guten Einfall verwerfe ich noch im Laufe desselben Tages wieder, aber viele haben mein Leben nachhaltig und sehr zum Positiven verändert.
Setze dich an erste Stelle
Mit dem Schreiben der Morgenseiten benutzt du die frische Energie des neuen Tages für dich, nicht für deinen Arbeitgeber oder anderer Leute Interessen. Du lebst damit eine positive Haltung gegenüber dir selbst.
Finde die Routine, die zu dir passt
Ich schreibe morgens eine Seite und brauche dafür etwa eine Dreiviertelstunde. Um morgens genügend Zeit zu haben, versuche ich etwa eine Stunde vor den Kindern wach zu sein. Deshalb habe ich mir angewöhnt, meist gegen fünf Uhr aufzustehen. Motivierend ist dann der Gedanke, dass die Espressomaschine bereits heiß gelaufen ist und das Schreibmaterial auf dem Küchentisch liegt. Mein Gehirn brauche ich also erst in ein paar Minuten; erstmal aufstehen.
Manchmal kommt es vor, dass ich beim Aufstehen die nachts zu uns ins Bett gewanderten Kids mit aufwecke oder einer von beiden früher wach wird. Pech gehabt. Auf nicht wenigen meiner Morgenseiten finden sich gemalte Feuerwehren und Hubschrauber.
Ich schaffe es nicht jeden Tag, eine Morgenseite zu schreiben, obwohl Regelmäßigkeit dabei sehr wichtig ist. In seltenen Fällen stehe ich einfach später auf, weil mir abends etwas wichtiger war und meine Schlafzeit, von in der Regel sieben, nicht unter sechs Stunden fallen soll. Öfters stehe ich früh auf und mache etwas anderes: zum Beispiel diesen Artikel schreiben.
Erkenntnisse in den Alltag übernehmen
Wenn mir beim Schreiben etwas zu Papier kommt, was ich später wieder aufgreifen möchte, mache ich am Rand der betreffenden Zeile ein Kreuz. Was wichtig ist, schreibe ich dann später in meine Notizbücher, Erinnerungs-App und so weiter. Sobald beide Seiten eines Blattes verarbeitet sind, werfe ich es weg.
Neben Selbstreflexion und Aufgaben sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, ist der Leser angehalten, zwei Dinge regelmäßig zu tun; Artistdates und Morgenseiten schreiben.
Auf Kurs bleiben
Ich hatte in der Vergangenheit öfters die Herausforderung, mich im Schreiben vom Zweck der fließenden Gedanken zu entfernen und stattdessen zu üben schöner zu schreiben und auch sehr auf die Rechtschreibung zu achten. Hier hilft es, sich ab und an den Zweck der Morgenseiten wieder vor Augen zu führen.
Die passenden Schreibwerkzeuge
Die ersten paar Monate schrieb ich Morgenseiten mit einem Kugelschreiber. Mein Daumen zeigte zunehmend eine Überlastungsreaktion, einen dumpfen Schmerz im Gelenk beim Schreiben. Um mit weniger Kraft schreiben zu können, legte ich mir einen Füller zu. Tinte, Papier und die Feder des Füllers sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass Schreibfluss und Kontrolle für dich ausgewogen sind. Ich bin mittlerweile bei einer Kombination aus Otto Hut design01 Füller mit einer extrafeinen Feder, Clairefontaine Collegeblock und Pelikan 4001 Tinte angekommen, die mir seit Langem sehr gut gefällt.
Das Material hat Einfluss auf die Schriftart und somit z.B. auf die Wortbreite. Das heißt zum Beispiel; auf eine Seite schreibe ich mit einem Blackwing 602 Bleistift etwa ein knappes Drittel weniger Wörter, als mit meinem Füller.
Fazit: Steh früh auf!
Ich freue mich jedes Mal sehr, dass ich so früh aufgestanden bin, denn schon nach einigen Zeilen merke ich, dass es sich lohnt: Das Schreiben macht Spaß und vor allem bist du jedem Tag und somit deinem ganzen Leben Stück für Stück eine andere – deine! – Richtung, hast Raum zum Reflektieren, Erinnern, nach vorne Denken. Du wirst überrascht sein, was du alles zu Tage deines Bewusstseins förderst. Und du brauchst dafür nichts weiter als Ausdauer, Stift und Papier. Früh aufstehen ist reine Gewohnheit. Versuchs mal! Am besten morgen früh.
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